Drei Euro mehr Hartz IV gab es Anfang des Jahres, oder umgerechnet 0,76 Prozent. Bei Kindern sind es nur zwei Euro. Deutlich zu wenig, gerade angesichts der massiv steigenden Preise für Lebensmittel und Energie. Deshalb streben der Sozialverband Deutschland (SoVD) und der Sozialverband VdK Musterstreitverfahren an und wollen für ein höheres Hartz IV bis vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Existenzminimum ist nicht gesichert
„Angesichts steigender Preise garantiert die Grundsicherung nicht mehr das Existenzminimum.“
Die beiden Sozialverbände reden nicht lange um den heißen Brei. Sie legen den Finger direkt in die Wunde und werfen der Politik vor, sehenden Auges ins offene Messer gelaufen zu sein.
Update vom 15.03.2023: Sozialgericht weist Klage gegen den Hartz IV Regelsatz ab
Anpassung deckt nicht die Inflation
SoVD-Vizepräsidentin Ursula Engelen-Kefer und VdK-Präsidentin Verena Bentele erklären:
„Schon damals war allen klar, dass diese Anpassung die tatsächliche Preisentwicklung nicht deckt.“
Jetzt sei Eile geboten. Denn das Existenzminimum werde durch den Regelsatz schon lange nicht mehr gesichert.
Mehrwertsteueranpassung verzerrt das Bild
Eines von vielen Problemen: Durch die Mehrwertsteuersenkung zu Beginn der Corona-Pandemie sanken die Preise. Dies wurde bei der Hartz IV Berechnung berücksichtigt. Denn in die Kalkulation flossen gemäß den gesetzlichen Vorgaben die Daten aus der Zeit von Juni 2020 bis Juli 2021 ein.
7,6 Prozent Teuerung
Seither ist die Inflation spürbar gestiegen und betrifft inzwischen alle Lebensbereiche, besonders Lebensmittel und Energie. Aktuell stehen 7,6 Prozent zu Buche. Das belastet viele Familien und Rentner.
„Große Löcher in der Haushaltskasse zu stopfen, fällt dabei insbesondere denjenigen schwer, die Grundsicherung beziehen und damit am Existenzminimum leben“, so die Verbände. Betroffen davon sind in Deutschland sieben Millionen Menschen, die auf Hartz IV oder Grundsicherung im Alter angewiesen sind.
Inflation spaltet die Gesellschaft – Hartz IV Haushalte besonders belastet
Politik steht in der Pflicht
Die Sozialverbände sehen jetzt die Politik in der Pflicht. Die Bundesregierung sei laut Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, das Existenzminimum für alle Menschen zu sichern. Dieses Recht werde verletzt. Dabei beziehen sich SoVD und VdK auf zwei Urteile aus den Jahren 2010 und 2014. Dort sei zu lesen:
„Ist eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen nicht auszuschließen, darf der Gesetzgeber dabei nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten.“
(BVerfG 23.7.2014 – 1 BvL 10/12 ua, Rn. 144).
Existenzgefährdende Unterdeckung bei Hartz IV Leistungen?
Hartz IV Anpassung war verfassungswidrig
Die Bundesregierung habe jedoch gewartet, obwohl sich eine derart hohe Inflation schon seit Monaten abgezeichnet habe. Die bisherige Anhebung bezeichnet Verena Bentele daher als „unverschämt“ und „verfassungswidrig“.
Hilfen verpuffen
An der Situation änderten auch die Einmalhilfen wie der 200 Euro Sofortzuschlag nichts. Sie verpufften angesichts der enormen Kostensteigerungen. Daher wird geklagt und nicht erst auf das neue Bürgergeld gewartet. Denn das Ziel lautet ganz klar: Man möchte eine höchstrichterliche Klärung, „hinter der sich die Politik dann nicht verstecken kann“.
200 Euro Hartz-IV Bonus deckt Inflation bei Lebensmitteln nicht