Heile-Welt-Klischees, ein wenig Zuckerguss und schon ist alles fein: Ein freudestrahlender Mann, der einen Job gefunden hat. Jobcenter-Mitarbeiterinnen, die von Tränen an ihrem Schreibtisch berichten. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat keine Kosten und Mühen gescheut und ein Werbevideo zum Bürgergeld produzieren lassen. Dazu pickt man sich ein Musterbeispiel gelungener Integration und eifrige Sachbearbeiterinnen heraus – alles unter dem Motto: „Zurück in den Job – Mit mehr Chancen.“
Werbetrommel fürs Bürgergeld
Die Werbetrommel für Neuheiten zu rühren, ist absolut üblich. Ob ein solches Video für das Bürgergeld angebracht ist, steht auf einem anderen Blatt. Denn bei der Grundsicherung, die ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren soll, geht es um unterschiedliche Charaktere und Hintergründe. Da ein wenig heile Welt vorzuspielen, verzerrt das Bild.
Beispiel aus Zeitz
In dem knapp einminütigen Video wird gezeigt, mit wie viel Engagement Jobcenter Menschen zurück auf den Weg in die Arbeit helfen.
„Wie wichtig das ist, zeigen uns die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren“,
schreibt das Ministerium bei Twitter. Ein Beispiel liefert der Film über einen Mann, der „durch einen krassen Lebenswandel“ nach Zeitz gekommen ist.
Bürgergeld mit diesen Tricks kleingerechnet – 725 Euro plus Strom anstatt 502 Euro
Nach Praktikum fest eingestellt
Er hatte keine feste Unterkunft, wandte sich ans Jobcenter, schrieb viele Bewerbungen und nahm dann die Chance auf ein Praktikum wahr. Dort hat er sich mit ganzer Kraft eingebracht, und – oh Wunder – obwohl eigentlich keine Stelle frei war, erinnerte man sich an ihn und stellte den Mann ein.
Jobcenter mit Augenhöhe und Empathie
Zwischendurch kommen Mitarbeiterinnen des zuständigen Jobcenters zu Wort und werden Bilder eingeblendet, die offenbar Schulungen zeigen.
„Die Menschen stehen im Zentrum unserer Beratung“,
heißt es im Video zum Bürgergeld. Man konzentriere sich auf jene, die Hilfe benötigen und vor ihren Tischen Tränen in den Augen haben. Im Schulungsmaterial tauchen dazu Begriffe wie „Augenhöhe“, „Sensibilität“ und „Empathie“ auf – ebenso „angemessene Aktivierung der Kunden“. Das Video endet mit dem Hinweis „Das Bürgergeld ist da“.
Wie realitätsnah ist das Video?
Ja, das Bürgergeld ist da. Ob damit auch alle Vorzüge, die online in höchsten Tönen gepriesen werden, Einzug halten, ist allerdings fraglich. Zweifelsohne gibt es Menschen, die mit Unterstützung des Jobcenters Arbeit finden, und Sachbearbeiter, die sich Mühe geben und auf ihre „Kunden“ eingehen. Überdies ist es richtig und wichtig, wie im Video den Fokus darauf zu legen, Menschen in Lohn und Brot zu bringen oder sie zu qualifizieren.
Aber: Darf man einfach Betroffene übergehen, die nicht (mehr) arbeiten können? Ihnen muss die Aussage, man stecke alle Kraft in Menschen, die etwas in ihrem Leben verändern wollen, wie ein Schlag ins Gesicht vorkommen. Sind sie es nicht wert, dass man ihnen hilft oder sich Zeit für sie nimmt?
Jobcenter drangsaliert wohnungslosen Bürgergeld-Empfänger
Rosarote Brille
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass man mit eher zweifelhaften Methoden über die Grundsicherung informiert. Schon 2013 wurde Hartz IV vom Jobcenter Pinneberg mit einem Comic erklärt. Damals wie heute scheint man die Realität einfach auszublenden und mit einer rosaroten Brille durchs Leben zu gehen.
Imagefilm zum Bürgergeld des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales
Mit dem #Bürgergeld schaffen wir neue Chancen & Perspektiven. Die Mitarbeiter*innen in den Jobcentern unterstützen eng bei jedem Schritt zurück in die Arbeit. Wie wichtig das ist, zeigen uns die Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, wie hier in Zeitz. ⬇️https://t.co/hTqouQIsA6 pic.twitter.com/2cKYQOdF9j
— Bundesministerium für Arbeit und Soziales (@BMAS_Bund) February 6, 2023
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