Der Wechsel von der Großen- zur Ampelkoalition ging mit der Hoffnung einher, dass der Bereich Soziales – damit auch Hartz IV – grundlegend reformiert wird. Bislang ist davon noch nicht viel zu spüren. Corona und der Ukraine-Krieg haben völlig neue und zugegebenermaßen unerwartete Rahmenbedingungen geschaffen, unter denen schlimmstenfalls auch der Schritt von Hartz IV zum Bürgergeld leiden könnte. Denn die finanziellen Mittel des Staates sind begrenzt.
Die Idee eines Bürgergelds
Der Plan: Im Koalitionsvertrag beschreiben SPD, Grüne und FDP, wie sie sich die Zukunft von Hartz IV vorstellen. Die bisherige Grundsicherung soll einem Bürgergeld weichen. Damit einhergehend sind einige Änderungen beim Bürgergeld vorgesehen. Die Angemessenheit der Wohnung und die Anrechnung des Vermögens sollen in den ersten beiden Jahren Bürgergeldbezug zum Beispiel wegfallen.
Bürgergeld statt Hartz IV – 15 Änderungen aus dem Koalitionsvertrag im Überblick
Weiterbildung stärken
Darüber hinaus haben sich die Koalitionspartner vorgenommen, den Vermittlungsvorrang im SGB II abzuschaffen und stattdessen die Weiterbildung zu stärken. Betont wird, dass gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden und die Beratung auf Augenhöhe erfolgen soll. Was bleibt, sind die Mitwirkungspflichten und damit auch die Sanktionen, die aktuell größtenteils ausgesetzt wurden und zum kommenden Jahr einen neuen Anstrich erhalten.
Kritik am Bürgergeld
Die Freude über die Neuerung hält sich in Grenzen. Denn ein Punkt wird im Koalitionsvertrag außen vor gelassen: die Höhe des Bürgergelds bzw. der Regelsätze. Darüber wird kein Wort verloren, auch nicht darüber, dass die Sätze bedarfsgerecht angepasst werden. „Die Erhöhung der Regelsätze muss in den Koalitionsvertrag, alles andere wäre ein absolutes Armutszeugnis“, hatte der Paritätische Wohlfahrtsverband bereits voriges Jahr moniert.
Lediglich im Papier zum Ergebnis des Koalitionsausschusses vom 23.03.2022 zu den Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit den hohen Energiekosten – nicht im Koalitionsvertrag! – heißt es, dass neben der Einführung einer Einmalzahlung für Hartz IV Bedürftige davon auszugehen ist, dass die Regelbedarfe aufgrund der gestiegenen Energiepreise zum 01. Januar 2023 angemessen erhöht werden.
Wann kommt das Bürgergeld?
Inzwischen ist es eher still geworden um das Bürgergeld. Zwar kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, seine Behörde um ein neues Referat für das Bürgergeld zu erweitern. Doch das stößt selbst dem Koalitionspartner FPD sauer auf. Denn mehr Mitarbeiter gehen mit mehr Kosten einher. Das Geld fehlt schlichtweg.
FDP will priorisieren
Bereits für die Hartz IV Zuschüsse, den Kindergeldbonus, die Energiepauschale, den Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket summieren sich die Kosten auf nahezu 30 Milliarden Euro. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht sich deshalb gezwungen, sämtliche Koalitionsprojekte zu prüfen und zu priorisieren. Wo die Streichliste anfängt und wo sie aufhört, ist bislang nicht bekannt.
Projekte nötiger denn je
Für den SPD-Sozialexperten Martin Rossmann steht laut Süddeutscher Zeitung zwar fest:
„Die Projekte des Koalitionsvertrages sind nötiger denn je.“
Doch die Zweifel daran, dass die Hartz IV Reform zeitnah kommt, werden immer lauter. Die Augsburger Allgemeine zitiert dazu DGB-Chef Reiner Hoffmann:
„Die Gefahr ist groß, dass Sozialreformen wie das Bürgergeld oder die Kindergrundsicherung auf die lange Bank geschoben oder gekippt werden.“
Man darf also gespannt sein, welchen Wert die Beteuerungen von Hubertus Heil haben, dass ein „starker Sozialstaat notwendig ist“ und die Reformen deshalb wie geplant auf den Weg gebracht werden.
Bild: Juice Dash/ shutterstock.com