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Wohnen oder Essen? Bürgergeld reicht nicht für beides

Verzweifelte Frau mit Taschenrechner und Rechnungen

Am Beispiel von Hamburg zeigt sich, wie dramatisch die Situation für viele Bürgergeld-Empfänger geworden ist: Die steigenden Wohnkosten zwingen immer mehr Menschen, tiefer in ihre ohnehin schon knappen Haushaltsbudgets zu greifen. Laut einer Anfrage des Hamburger Straßenmagazins Hinz&Kunzt beim Jobcenter mussten im Jahr 2023 rund 11.700 Haushalte in der Hansestadt durchschnittlich 92 Euro monatlich aus ihrem Regelsatz zuschießen, um die Miete und Heizkosten zu decken. Von insgesamt knapp 95.500 Bedarfsgemeinschaften in Hamburg war etwa jeder achte Haushalt betroffen.

Täglicher Überlebenskampf

Der Bürgergeld Regelsatz für alleinstehende Erwachsene lag im gleichen Zeitraum (2023) bei 502 Euro pro Monat. Dieser Betrag sollte das Existenzminimum decken was bedeutet, dass Betroffene rechnerisch nur 16,70 Euro pro Tag für alle lebensnotwendigen Ausgaben zur Verfügung hatten – für Nahrung, Kleidung, Körperpflege oder Strom. Große Sprünge sind da nicht drin und dennoch, aus diesem knappen Betrag mussten viele Bürgergeld-Empfänger auch noch einen Teil zu den Wohnkosten beisteuern. Für viele bedeutet das: noch weniger Essen, noch weniger Lebensqualität, ein täglicher Überlebenskampf. Es geht nicht mehr nur darum, den Gürtel enger zu schnallen, sondern darum, die eigenen Grundbedürfnisse radikal herunterzuschrauben, um nicht die Wohnung zu verlieren.

Bürgergeld Regelsatz deckt die Stromkosten nicht

Realitätsfremde Mietobergrenzen

Die folgende Tabelle zeigt die aktuellen Mietobergrenzen für Hamburg – also das, was vom Jobcenter als angemessen gilt – basierend auf der Anzahl der Personen im Haushalt, der angemessenen Wohnungsgröße sowie der entsprechenden Bruttokaltmiete und dem durchschnittlichen Quadratmeterpreis.

Anzahl
Personen
angemessene
Wohnungsgröße
angemessene
Bruttokaltmiete
⌀ pro m²
150 m²573 €11,46 €
260 m²694 €11,57 €
375 m²813 €10,84 €
490 m ²980 €10,88 €
5105 m²1.362 €12,97 €
6120 m²1.546 €12,89 €
Tabelle: Angemessene Miete in Hamburg, Quelle: Jobcenter Hamburg

Die Obergrenzen für den Quadratmeterpreis der Bruttokaltmiete, also inklusive der kalten Betriebskosten, liegen in Hamburg aktuell zwischen 10,88 und 12,89 Euro. Laut aktuellen Mietspiegel beträgt der durchschnittliche Quadratmeterpreis für die Nettokaltmiete bereits 12,06 Euro – und das ohne Nebenkosten. Es wird zwar Ausnahmen nach oben und unten geben, aber es zeigt sich, wie realitätsfern die Mietgrenzen des Jobcenters kalkuliert sind, wenn die tatsächlichen Nettokaltmieten schon über den festgelegten Obergrenzen für die Bruttokaltmiete liegen.

Bundesweites Problem mit bitteren Folgen

Doch das ist kein neues und auch kein rein hamburgisches Problem. Seit Jahren gibt es in vielen deutschen Städten das Phänomen der sogenannten „Wohnkostenlücke“. Eine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag ergab, dass die Jobcenter bundesweit im Schnitt 20 Prozent weniger für die Mieten übernehmen, als tatsächlich nötig wäre. In Städten wie München, Frankfurt und Berlin ist das Problem besonders akut, da die Mietobergrenzen oft weit unter den tatsächlichen Mietkosten liegen.

Aktuelle Mietobergrenzen für die größten Städte im Überblick

Diese unzureichenden Mietobergrenzen zwingen Bedürftige, immer mehr von ihrem ohnehin knappen Regelbedarf aufzuwenden, um die Differenz bei den Wohnkosten zu tragen. Das Ungleichgewicht zwischen den tatsächlichen Mieten und den Jobcenter-Obergrenzen führt dazu, dass die Ärmsten zunehmend aus den Städten verdrängt werden. Sie können die hohen Mieten schlicht nicht mehr finanzieren und sind gezwungen, in günstigere, oft schlechtere Wohnlagen oder gar in den ländlichen Raum auszuweichen. Ein Teufelskreis, der die soziale Spaltung in den Städten weiter vertieft und die Betroffenen an den Rand der Gesellschaft drängt.

Titelbild: Grusho Anna / shutterstock