Mit der Einführung des Bürgergeldes zum 01.01.2023 halten auch wieder Sanktionen Einzug auf dem Parkett der Grundsicherung – das ursprüngliche Sanktionsmoratorium bis zum 01.07.2023 wurde auch gleichzeitig gestrichen, so dass Leistungsminderungen – wie sie jetzt beim Bürgergeld heißen – vom ersten Tag an verhängt werden können. Im Vergleich zu Hartz IV, wurden die Sanktionen jedoch mit dem Bürgergeld ein wenig abgemildert.
Höchstens 30 Prozent Leistungsminderung
Zu den Neuerungen bei den Bürgergeld-Leistungsminderungen gehört, dass diese sich höchstens nur auf 30 Prozent des Regelsatzes nach § 20 SGB II auswirken dürfen und ebenso nur der Regelsatz der Person in der Bedarfsgemeinschaft betroffen ist, die den Pflichtverstoß begangen hat. Bei Hartz IV waren sogar Vollsanktionen bei mehreren Pflichtverstößen möglich, also auch die Kürzung der Mehrbedarfe sowie der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Hierzu heißt es im § 31a Abs. 4 SGB II:
(4) Leistungsminderungen bei wiederholten Pflichtverletzungen oder wiederholten Meldeversäumnissen nach § 32 sind auf insgesamt 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs begrenzt. Die sich rechnerisch ergebenden Zahlbeträge für die Kosten der Unterkunft und Heizung dürfen durch eine Leistungsminderung nicht verringert werden.
Bei wiederholten Meldeversäumnissen beträgt die Leistungsminderung nach § 32 SGB II höchstens 10 Prozent des Regelsatzes. Hier dürfen ebenfalls die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht sanktioniert werden.
Die Tatsache, dass Sanktionen nur gegen den Bürgergeld-Regelsatz und nicht mehr gegen Mehrbedarfe und die Kosten der Unterkunft und Heizung ausgesprochen werden dürfen, ist auch der Grund, warum manche Hilfebedürftige demzufolge gar nicht mit Leistungsminderungen behaftet werden können – und zwar bspw. Aufstocker, die ergänzende Bürgergeld-Leistungen zusätzlich zu ihrem Erwerbseinkommen beantragen müssen.
Gleiches gilt auch für alle sonstigen Einkommen oder auch anrechenbares Vermögen, wenn es bedarfsmindernd angerechnet wird und ausreicht, um zumindest den Regelbedarf abzudecken.
Wann man von Sanktionen verschont bleibt
Grundsätzlich kann man das Bürgergeld in der Regel nicht nur teilweise beantragen. Es muss also immer ein vollständiger Antrag auf Grundsicherung gestellt werden, so dass das Jobcenter den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft ermittelt werden kann. Dieser Gesamtbedarf setzt sich immer mindestens aus dem Regelsatz sowie den Kosten der Unterkunft zusammen – sollten Ansprüche auf Mehrbedarfe bestehen, so erhöhen diese den Gesamtbedarf.
Ist der Gesamtbedarf ermittelt, wird nun ermittelt, in welcher Höhe vorhandenes Einkommen und Vermögen angerechnet wird. An dieser Stelle gibt das Gesetz eine genaue Reihenfolge bei der Anrechnung im § 19 Abs. 3 S. 2 SGB II vor, in dem es heißt:
Zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen deckt zunächst die Bedarfe nach den §§ 20, 21 und 23, darüber hinaus die Bedarfe nach § 22.
Einkommen und Vermögen wirken sich also in der folgenden Reihenfolge auf das Bürgergeld aus:
- § 20 SGB II: Regelbedarfe für Erwerbsfähige
- § 21 SGB II: Mehrbedarfe
- § 23 SGB II: Regelbedarfe für nicht Erwerbsfähige, z.B. Kinder (ehemals Sozialgeld)
Erst wenn das angerechnete Einkommen oder Vermögen die o.g. Bedarfe übersteigt, wird der überschüssige Betrag auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II angerechnet.
Berechnungsbeispiel: Ein Bürgergeld-Leistungsberechtigter in Berlin hat monatlich einen Gesamtbedarf von 977 Euro, bestehend aus 502 Euro Regelsatz sowie 475 Euro Wohnkosten. Leistungsminderung 20 Prozent.
- Aus Erwerbstätigkeit in Teilzeit erhält er ein monatliches Bruttogehalt von 1.000 Euro, netto 794,25 Euro. Die Einkommensanrechnung ergibt unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 11b Abs. 3 SGB II einen monatlichen Freibetrag von 280 Euro, so dass vom 794,25 Euro netto insgesamt 514,25 Euro angerechnet werden. Dadurch, dass das angerechnete Einkommen mit 514,25 Euro den Bürgergeld-Regelsatz von 502 Euro übersteigt, überweist das Jobcenter nur noch die Wohnkosten in Höhe von 462,75 Euro. Leistungsminderungen sind in diesem Fall nicht möglich, da der Regelsatz vollständig bedarfsdeckend aus dem Einkommen bestritten werden kann.
- Aus einem MiniJob erhält er ein monatliches Gehalt in Höhe von 520 Euro, brutto wie netto. Die Freibeträge auf das Erwerbseinkommen nach § 11b belaufen sich auf insgesamt 184 Euro, so dass 336 Euro des Einkommens angerechnet werden. Diese 336 Euro mindern zuerst den Regelsatz, so dass das Jobcenter hierfür 166 Euro überweist, anstatt 502 Euro – die Wohnkosten werden unverändert überwiesen. 20 Prozent Leistungsminderungen auf den maßgeblichen Regelsatz von 502 Euro bedeuten eine Kürzung der Leistungen um 100,40 Euro (502 x 20%). Das Jobcenter überweist demnach anstatt 166 Euro Regelsatz lediglich 65,60 Euro.
Grundsätzlich gilt also, je höher das Einkommen, das bedarfsdeckend auf den Regelsatz angerechnet wird, desto geringer die Auswirkungen durch eventuelle Bürgergeld Sanktionen. Wird der Regelsatz vollständig durch Einkommen gedeckt, so fehlt es an Substanz, die gekürzt werden kann – das Jobcenter darf in diesem Fall keine Sanktionen mehr auferlegen.
Hinweis: Es muss sich nicht zwingend um Erwerbseinkommen handelt. Jedes Einkommen – oder Vermögen, das den Regelsatz durch Anrechnung mindert, ist geeignet, das Risiko von Sanktionen zu reduzieren.
Fraglich ist, ob die Jobcenter sich an die neuen gesetzlichen Vorhaben halten werden, Wir empfehlen deshalb ausdrücklich, das Jobcenter bereits bei der bloßen Androhung von Sanktionen auf den Umstand hinzuweisen, dass keine Sanktionen auferlegt werden dürfen, wenn der Regelsatz bereits durch die Einkommensanrechnung gedeckt ist. Eigene Berechnungen können mit unserem Bürgergeld Rechner gemacht werden. Sollte es dennoch dazu kommen, dass das Jobcenter fälschlicherweise einen Sanktionsbescheid erlässt, empfiehlt sich ein sofortiger Widerspruch gegen den Bescheid und parallel der einstweilige Rechtsschutz (am besten mit einem Anwalt).
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